Klima – Der Newsletter für die, die es kapiert haben

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Ich wünschte, da wäre ein anderer Weg

raphaelthelen.substack.com

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Klima – Der Newsletter für die, die es kapiert haben

Jan 23
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Ich wünschte, da wäre ein anderer Weg

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Ich habe die ganze Zeit dieses Bild vor Augen von dem riesigen Bagger vor Lützerath und dem Schaufelrad, und wie es bei jeder Drehung mehr Gewalt in die Welt bringt.

Da sind die Polizist:innen, die davor stehen, in ihren schwarzen Uniformen, gesichtslos hinter den Helmvisieren, zuschlagen mit ihren Stöcken.

Da sind unsere Leute, die sich wehren. Die dagegenhalten, beleidigen, ja, auch mal einen Stein schmeißen.

Da bin ich, der auf Twitter, der in Interviews Worte als Waffen benutzt.

Da ist die Welt. Der Globale Süden. Da ist die Gewalt der Klimakrise, Treibhausgase, die vertreiben, aushungern, töten. Massenhaft.  

Nach dem Kampf das Come-Down.

© RONJA RØVARDOTTER

Mein Körper ist größtenteils heil geblieben, aber meine Seele hat eine Wunde. Eine Traurigkeit sitzt da über der Magengrube, fest und unbeweglich, wie ein kantiger Stein. Zurück in Berlin fühle ich mich alleine, swipe durch mein Smartphone auf der Suche nach Verbindung, möchte gehalten werden, umarmt.

In unserem Männerkreis erzähle ich davon, ein Freund sagt es klinge so archetypisch nach dem gebrochenen, heimkehrenden Kämpfer. Eine Freundin fragt: Wärst du lieber nicht hingefahren?

Doch, natürlich war es richtig, hinzufahren. Denn nur, weil ich nicht da bin, ist die Gewalt ja nicht weg. Und vor allem: Hinter dem Geprügel und Geschrei der letzten Tage verschwindet die wahre Schuldige: RWE, die schon jetzt angekündigt hat – trotz anderslautendem Deal – über 2030 hinaus Kohle aus dem Loch holen zu wollen. Olaf Scholz eröffnete während den Tagen der Räumung das nächste LNG-Terminal, grinste dabei debil in die Kamera. Der Chef eines der größten Ölkonzerne der Welt, wird die nächste Weltklimakonferenz leiten – nein, die Gewalt verschwindet nicht, wenn wir nicht hinschauen, wenn wir nicht dagegenhalten.

Ich wünschte mir nur, ich sähe gerade einen anderen Weg.

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Jobele
Jan 23

Aufgewachsen in einer Braunkohlegegend kenne ich dieses Gefühl und Erleben von unwiederbringlich verschwindender Heimat seit Kindertagen. Das wird nicht besser. Weg ist weg.

Die Besetzungen und Demonstrationen in Lützerath, so verständlich sie sind, waren doch an der falschen Stelle. Hier gab es eine Rechtslage und eine politische Entscheidung. Wenn der Staat das nicht durchsetzt, sind wir nicht mehr in einem Rechtsstaat. Der Kampf hier war ebenso aussichtslos wie im Ergebnis vorhersehbar.

Beim Klimaschutz muß es zwangsläufig um Verzicht gehen. Wir konsumieren zu viel, wir verursachen zuviel CO2, wir müssen hier auf ein deutlich niedrigeres Wohlstandslevel zurück. Das läßt sich auch nicht mit moderner Technik ausgleichen. Doch: Ist Verzicht demokratiekompatibel? Haben wir ein politisches System für die Postwachstumsgesellschaft oder gar die Negativ-Wachstumsgesellschaft?

Demonstrationen braucht es jetzt vor den Genehmigungsbehörden, bei denen sich die Anträge für Windanlagen stapeln und deren Bescheidung aktiv verzögert und verteuert wird. Demonstrationen braucht es bei Parlamenten und Regierungen für eine Vereinfachung der Aufstellung regenerativer Energieerzeugungsanlagen. Ideen braucht es für die Stärkung gesellschaftlicher Akzeptanz für regenerative Energieerzeugung, für die breitere Verteilung der wirtschaftlichen Gewinne, für deren Verbleib im ländlichen Raum.

Also, trotz Männergruppe: Aufstehen, Krönchen richten, konstruktiv weitermachen. Aber an den richtigen Stellen und nicht Gesundheit, Kraft und Motivation an aussichtslosen Fronten verpulvern.

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Captain Planet
Jan 25

Ich verstehe die Verzweiflung und die Wut! Denke aber, dass RWE nicht die Schuldige ist, sondern die Politik, welche die Rahmenbedingungen schafft, damit RWE et al. ihren Auftraggebern satte Gewinne verschafft. Und uns Bürger*innen und damit Wähler*innen, die in Summe noch nicht vertanden haben, dass es nicht "nur" um ein Dorf in Deutschland sondern um viele Dörfer und Städte weltweit geht, die entweder vertrocknen oder absaufen... Großen Respekt vor den Aktivist*innen, die sich für uns alle vor Ort einsetzen und damit das Thema in die Medien bringen! <3

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