Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll
Klima – Der Newsletter für die, die es kapiert haben
Das Buchmanuskript ist so gut wie fertig, und ich bin, ja nicht durch, aber merke, wie lange ich jetzt unter konstanter Anspannung stand. Ich bin müde, auch wenn ich lange geschlafen habe, würde gerne Urlaub machen, aber gleich am Dienstag ist der erste Call mit der Letzten Generation-Presse AG und Mittwoch diese Podcastaufnahme. Alles Sachen, auf die ich Lust habe, vor allem auch, weil ich endlich wieder mehr unter Menschen sein will, aber ich spüre auch den Druck.
Burned-out people on a burned-out planet.
Greta Thunbergs Eltern haben diesen Satz geschrieben, und er trifft es so gut.
Handeln, Machen, Haben liegen ja so sehr im Kern des patriarchalen Systems, das unseren Planeten zerstört, verdrängen das Fühlen, Empfangen, Sein.
Was ist richtig? Brauchen wir wirklich noch mehr Tun, auch wenn es die besten Absichten hat? Oder ist nicht genau das, das Problem?
Gleichzeitig scheint die Zerstörung und die Ungerechtigkeit so allgegenwärtig, und dem müssen wir uns doch in den Weg stellen, zumal uns die Zeit bis zu den Kipppunkten davonläuft.
Egal, was ich jetzt mache – rennen oder weilen – es scheint falsch, und auch wenn ich um diesen Widerspruch seit Jahren weiß: Ich weiß nicht, wie ich ihn auflösen soll.
Neben all der Arbeit am Buch habe ich den Newsletter zu einem neuen Provider umgezogen. Warum, schreibe ich dir bald. Falls Du Montag keinen Newsletter bekommst, schau in deinen Spam-Ordner oder schreib mir.
Ich denke auch, dass wir uns in einer Pattsituation befinden. Wir wissen, dass wir mit den Mitteln, mit denen wir die Krise verursacht haben, diese nicht werden lösen können. Ein wirklich tiefgreifender Wandel, wie es ihn bräuchte, dauert viel zu lange, wenn er überhaupt möglich ist. Alles was kurzfristig erreichbar ist können nur Scheinlösungen sein. Wenn Aktivismus zu Aktionismus wird und das ist er meist, wenn er der eigenen Beruhigung dient, können wir nur auf das zurückgreifen, was uns eben ausmacht. Wir sind alle tief geprägt von Kolonialismus, Neoloiberalismus etc. Das wirft 1 nicht eben mal schnell über Bord. Zu glauben, dass sich 1 von diesen Prägungen lösen könnte, ist schon Teil des Problems, weil der Neoliberalismus uns glauben lässt, wir wären persönlich und auf einer individuellen Ebene verantwortlich.
Ich denke es ist wichtig sich dieses Widerspruchs bewusst zu sein und zu lernen diesen auszuhalten. Wie Thomas Metzinger formuliert, wir brauchen eine Kultur des Scheiterns.
Lieber Raphael, als ehemaliger Burn-Outer (2008/2009) kann ich Dir nur eines empfehlen, was ich seinerzeit in 6 Monaten Therapie gelernt und bisher auch behalte habe: die Paarung von Gelassenheit und Spiritualität. Das bedeutet nicht, dass man den Aktivismus einstellen soll, sondern das genaue Gegenteil davon. Was Dich in Deiner Situation zerreißt ist die eigene Hilflosigkeit. Man erkennte wie klein und schwach man gegenüber großen "Bergen" ist. Mit dem Nachdenken, also der Basis von Spiritualität, werden Dir eigene Defizite, aber auch die Defizite anderer Menschen klar, die Du nicht ändern kannst und wirst. Du wirst also weder einen Lindner, nicht einen Wissing noch einen Dürr, noch einen Merz oder einen Söder dazu bringen, sich zu verändern. Sie sind in ihrem kleinen, manipulativen Universum gefangen. Und da bleiben sie auch, während Du weitergehst. Und genau da setzt sich dann die Gelassenheit auf das Nachdenken auf. Du bleibst ein große Nachdenker, ein großer Aktivist, aber die Gelassneheit hilft Dir, das zu finden, was Du für allen Aktivismus brauchst: bei Dir selbst ankommen.... Ich könnte ewig weiterschreiben, aber dieser kleine Anfang ist ja mal ein erster Gedanke von mir. Herzliche Grüße Ralf